Weisser Nierderschlag im Old Tom Gin.

Holzfassgereifte Spirituosen, insbesondere solche, die in Eichenfässern lagern, sind reich an Fettsäuren. Diese Fettsäuren sind schwer bis gar nicht wasserlöslich, aber sie lösen sich hervorragend in Alkohol. Solange die Spirituose homogen bleibt, bleibt der Schleier unsichtbar, da die im Alkohol gelösten Fette keine optische Rolle spielen. Doch wenn bestimmte Bedingungen eintreten, wird das Phänomen sichtbar.

Wenn die Temperatur sinkt, beginnen die im Wasser halbwegs gelösten Fettsäuren, auch Lipide genannt, mit dem Wasser, dem Sauerstoff und dem enthaltenen Kohlenstoff zu reagieren. Dadurch entstehen Kleinstverbindungen, die als weißlicher Schleier sichtbar werden. Sinkt die Temperatur weiter, bilden sich mehr dieser kleinen weißen Flöckchen, die miteinander verklumpen und als weiße Schwebeteilchen in der Spirituose erscheinen.

Im Laufe der Zeit bewegt sich das homogene Alkohol-Wasser-Gemisch immer mehr in Richtung chemisches Ungleichgewicht. Aufgrund der Tatsache, dass Alkohol leichter als Wasser ist, strebt er in einer stehend gelagerten Flasche nach oben. An der Grenze zwischen Wasser und Alkohol können die Feststoffe aufgrund der geringeren Alkoholkonzentration nicht mehr so gut gebunden werden und lösen sich aus der Verbindung. Sie sinken nach unten, in den wasserdominierten Teil der Flasche, und lagern sich dort als Feststoffe ab.

Die einzige Option, dieses Phänomen zu verhindern, wäre eine Kaltfiltration, bei der der Gin auf 0°C heruntergekühlt wird. Dabei verklumpen die Lipide und können anschließend aus dem Gin gefiltert werden. Als kleine Brennerei fehlen uns die technischen Mittel für eine solche Kaltfiltration. Zudem wird der Gin-Geschmack maßgeblich von ätherischen Ölen beeinflusst, die bei einer Kaltfiltration ebenfalls entfernt würden. Der weiße Schleier signalisiert daher, dass die Spirituose bewusst nicht nach Industriestandard kaltgefiltert wurde, um das maximale Aroma zu bewahren. Er beeinträchtigt das Destillat in keiner Weise.